Das Proton zählt zu den prominentesten Teilchen in der Physik. Gemeinsam mit dem Neutron ist es jener Baustein, aus dem sämtliche Atomkerne zusammengesetzt sind. Im Prinzip wissen die Physiker zwar schon seit langem, woraus ein Proton besteht: Es ist aus drei Quarks aufgebaut, die durch die starke Wechselwirkung zusammengehalten werden, eine der vier fundamentalen Naturkräfte. Dennoch gibt es um die Struktur des Protons noch manche Rätsel: Wie ist es im Detail beschaffen? Wie kommt seine Masse zustande, und wie sein Spin, sein quantenmechanischer Drehimpuls?

Fragestellungen wie diese erforscht die Sektion „Elektromagnetische Prozesse“ (EMP) des Helmholtz-Instituts Mainz. Im Vordergrund stehen die Arbeiten an einem neuen Teilchendetektor namens PANDA – ein Experiment, das am neuen Beschleunigerkomplex FAIR am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt entstehen wird. Das Team, das den Detektor baut und künftig betreiben wird, besteht aus etwa 500 Fachleuten aus 17 Ländern. 

 

Ab 2025 soll FAIR Strahlen aus Antiprotonen erzeugen – die Antiteilchen der Protonen. Die Antiprotonen werden im HESR-Ring gespeichert, er hat die Form einer Stadion-Laufbahn und besitzt einen Umfang von 575 Metern. An einer Stelle im Ring befindet sich das „Target“ – ein dünner Strahl aus kaltem Wasserstoff, der den Weg der Antiprotonen kreuzt. Dabei kommt es regelmäßig zu Kollisionen: Antiprotonen prallen mit den Protonen des Wasserstoffs zusammen. Die Folge: Beide „annihilieren“, d.h. sie vernichten sich gegenseitig und zerstrahlen zu purer Energie. Aus diesem Energieblitz bilden sich sofort neue, instabile Teilchen, zum Beispiel Pionen oder Kaonen, aber auch Photonen. Diese neu entstandenen Teilchen soll der PANDA-Detektor nachweisen und detailliert vermessen.

 

Die Sektion EMP interessiert sich vor allem für einen speziellen Prozess bei der Annihilation: Kurzzeitig entstehen hochenergetische Photonen (Lichtteilchen), die dann umgehend in ein Elektron-Positronen-Paar zerfallen, oder auch in ein Paar aus einem Myon und einem Antimyon. Ebendiese Paare wird PANDA registrieren und vermessen. Anhand der Messdaten können die Physiker dann zunächst auf das ursprüngliche Photon schließen. Aus den Eigenschaften dieses Photon wiederum lassen sich detaillierte Informationen über die Struktur der ursprünglichen Kollisionspartner ziehen – der Protonen. 

 

Damit ist PANDA komplementär zu den üblichen Verfahren zur Enträtselung der Protonenstruktur: Hier beschießt man die Kernteilchen mit schnellen Elektronen, um aus deren Ablenkung das „Innenleben“ des Protons zu erkunden. Demgegenüber wird PANDA in einen bislang kaum untersuchten Parameterbereich vorstoßen und damit neue Informationen über den Aufbau des Protons liefern: Wie im Detail ist die elektrische Ladung der drei Quarks angeordnet, wie sind die magnetischen Momente ausgerichtet? Solche Erkenntnisse sind wichtig, um die Natur der starken Wechselwirkung besser zu verstehen. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse lassen sich dann auch neue Ansätze für sogenannte effektive Theorien testen sowie die Resultate aufwändiger Computersimulationen überprüfen.

Innerhalb des PANDA-Teams beteiligt sich die Sektion EMP an der Entwicklung diverser Detektorkomponenten. Unter anderem haben die Forscher mit Hilfe von Computersimulationen herausgefunden, wie sich die Elektron-Positron-Paare am effektivste aus den Unmengen der vom Detektor gelieferten Daten herausfischen lassen. Außerdem sind sie für einen Teil des elektromagnetischen Kalorimeters verantwortlich – so heißt jener Teil von PANDA, der die Energie von Photonen und elektronenartigen Teilchen erfasst. Einen entsprechenden Prototyp haben die Experten bereits konstruiert und erfolgreich an MAMI getestet, einem Elektronenbeschleuniger an der Universität Mainz. Auch für die Ausleseelektronik konnten die Physiker bereits zeigen, dass sie die erforderlichen Spezifikationen erfüllt. Ferner arbeiten sie an der Realisierung eines speziellen Spurdetektors (GEM, Gas-Electron-Multiplier), bei dem die elektronenartigen Teilchen ein Gas ionisieren und dadurch nachgewiesen werden. 

 

Für eine Ausbaustufe von PANDA in fernerer Zukunft entwickeln die Experten ein neues Target. Bei diesem soll der Wasserstoff polarisiert sein – die Spins und magnetischen Momente der Protonen sollen alle in dieselbe Richtung weisen. Dieser Ansatz könnte helfen, eine noch offene Frage der Physik endgültig zu lösen – die „Spin-Krise“. Seit den achtziger Jahren ist klar, dass der Spin (Eigendrall) des Protons nicht allein von den drei Quarks herrührt, aus denen es besteht. Stattdessen könnte der Löwenanteil von den Gluonen stammen – also jenen Austauschteilchen der starken Wechselwirkung, die die Quarks gleich einem Superkleber zusammenhalten. 

 

Ferner beteiligt sich die Sektion EMP an Experimenten am BEPC-II-Speicherring in Peking. Er lässt Elektronen und Positronen aufeinanderprallen, wodurch unter anderem kurzlebige Teilchen bestehen aus zwei Quarks entstehen, etwa das „Charmonium“. Analysiert werden die Kollisionen von BES III, einem großen Detektor, an dem rund 400 Physiker aus 13 Ländern beteiligt sind. Die HIM-Forscher interessieren sich insbesondere für Prozesse, bei denen beim Zusammenprall von Elektron und Positron ein hochenergetisches Photon entsteht, das anschließend in ein Proton-Antiproton-Paar zerfällt. Die Auswertung entsprechender Daten erlaubt ebenfalls wichtige Rückschlüsse auf die Struktur des Protons. Außer an der Datenanalyse beteiligen sich die Mainzer Physiker am Aufbau eines neuen Spurdetektors, der auf GEM-Technologie beruht.

Prof. Dr. Frank Maas

Helmholtz Institut Mainz
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