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Elementare Physik mit Atomen, Molekülen und Licht

Die Sektion MAM (Matter AntiMatter Asymmetry)

Woraus besteht die rätselhafte dunkle Materie, von der es im Universum rund fünfmal soviel geben dürfte wie von der normalen, uns vertrauten Materie? Und warum bestehen Planeten, Sterne und Galaxien aus Materie, wogegen die Antimaterie weitgehend aus dem Weltall verschwunden ist? Diese Fragen zählen zu den fundamentalen Problemen der Physik. Mit einer großen Bandbreite von Aktivitäten versucht die Sektion MAM (Matter AntiMatter Asymmetry) experimentell zu prüfen, welche Lösungsansätze den richtigen Weg zur Erklärung der Phänomene weisen. 

 

Dass dunkle Materie tatsächlich existiert, darauf deuten zahlreiche astronomische Beobachtungen hin: Demnach rotieren Galaxien viel zu schnell, als dass die gewöhnliche, sichtbare Materie sie durch ihre Gravitation zusammenhalten könnte. Deshalb schlussfolgern Theoretiker, dass es riesige Mengen einer unbekannten Materieform gibt, die für den Zusammenhalt unter den Sternen verantwortlich ist. Allerdings ist bis heute rätselhaft, aus was diese nicht leuchtende, also dunkle Materie zusammengesetzt ist.

 

Als Kandidaten gelten unter anderem die WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles) – relative schwere Teilchen, die von uns unbemerkt durchs Weltall geistern. Allerdings blieben aufwändige Suchkampagnen sowohl mit Teilchenbeschleunigern also auch mit Detektoren, die tief in Untergrundlabors installiert sind, bislang ohne Erfolg. Deshalb setzt eine wachsende Zahl an Physikern auf eine andere Erklärung: Demnach könnten sog. Axionen hinter der dunklen Materie stecken – extrem leichte, bislang hypothetische Teilchen jenseits des Standardmodells. 

 

Suche nach Axionen

Diese Axionen könnten auch ein weiteres Problem lösen – das Problem der „starken CP-Verletzung“. Die Buchstaben CP stehen für eine wichtige Symmetrie in der Teilchenphysik: Vertauscht man bei einem Teilchen die elektrische Ladung (C wie Charge) und ersetzt es gleichzeitig durch sein räumliches Spiegelbild (P wie Parität), sollte das entstandene Teilchen komplett symmetrisch sein und sich in seinem physikalischen Verhalten nicht vom Ursprungsteilchen unterscheiden. Doch bereits in den 1960er Jahren entdeckten Physiker, dass diese Symmetrie bei manchen Teilchensorten gebrochen war – das Spiegelbild wich gewissermaßen ein winziges Bisschen vom Bild ab. 

 

Allerdings zeigte sich diese CP-Verletzung nur bei der schwachen, nicht aber bei der starken Wechselwirkung: Bislang wurde noch in keinem Experiment beobachtet, dass die starke Wechselwirkung verletzt wird. Der Grund dafür ist bis dato unklar. Die Existenz des Axions würde einen Erklärungsansatz bieten und dadurch das Problem der starken CP-Verletzung beheben.

 

Am Helmholtz-Institut Mainz treibt die Sektion MAM die Axionen-Suche mit zwei Experimenten voran. CASPEr (Cosmic-Axion Spin-Precession Experiment) basiert – ähnlich wie ein MR-Scanner in der Medizin – auf der kernmagnetischen Resonanz. Die Idee: Ein mit den Axionen einhergehendes Feld würde die polarisierten Kernspins im Versuchsaufbau in eine Art Taumelbewegung (Präzession) versetzen, was sich mit empfindlichen Sensoren nachweisen ließe.

Der zweite Ansatz ist das „Global Network of Optical Magnetometers for Exotic Physics Searches”, kurz GNOME. Es besteht aus mehreren über den Globus verteilten, miteinander synchronisierten Atom-Magnetometern, eingebaut in hocheffektive Abschirmungen, die die Sensoren gegen äußere Felder wie das Erdmagnetfeld schützen. Dunkle-Materie-Teilchen allerdings sollten diese Abschirmung ungehindert durchdringen, könnten also von den Magnetometern registriert werden.

 

Die Herausforderung: Die zu erwartenden Signale sind äußerst schwach, es ist extrem schwierig, sie vom Untergrundrauschen zu trennen. Ähnlich wie bei der Suche nach Gravitationswellen setzen die Forscher deshalb auf ein globales Netzwerk verschiedener Sensoren, die nach Korrelationen Ausschau halten. Laut Theorie nämlich wären die Axionen im Universum nicht gleich verteilt, sondern kämen in dichteren und weniger dichten „Blasen“ vor. Würde sich nun die Erde durch eine Blasengrenze bewegen, könnten das die Sensoren registrieren und damit die Existenz der Axionen nachweisen. Neben der Sektion MAM sind Teams aus Polen, der Schweiz, den USA, China und Südkorea an der internationalen Suche beteiligt.

 

Eigenschaften von Materie und Antimaterie

Eine weitere Frage der Physik: Warum beobachten wir heute sehr viel mehr Materie als Antimaterie im Kosmos? Eigentlich hätten sich Materie und Antimaterie bereits kurz nach dem Urknall gegenseitig vernichten müssen – das Universum bestünde heute ausschließlich aus purer Strahlung. Um diese Frage zu beleuchten, beteiligen sich HIM-Forscher an einem Experiment namens GBAR am CERN in Genf. (der Mainzer GBAR-Beitrag findet sich hier). Mit ihm wollen sie herausfinden, ob Antiwasserstoff im Schwerefeld der Erde auf dieselbe Art und Weise fällt wie gewöhnlicher Wasserstoff – ein Experiment, das nur mit neutralen Atomen möglich ist und nicht mit geladenen Teilchen, zum Beispiel Atomkernen. 

 

Außerdem fangen die HIM-Forscher Ionen aus Materie sowie aus Antimaterie in Fallen ein, um ihre Eigenschaften mithilfe von hochpräzisen Messverfahren zu vergleichen. Ebenso beteiligen sie sich an der Planung neuer Antimaterieexperimente an Beschleunigern wie insbesondere FAIR in Darmstadt und entwickeln dafür neue Experimentiertechniken und Messinstrumente.

 

Paritätsverletzung von Atomen

Ferner betreibt die Sektion MAM zwei Experimente, die den Effekt der Paritätsverletzung bei Atomen im Detail analysieren: eines auf Ytterbium-Basis, das andere mit Dysprosium-Atomen. Sie widmet sich der Entwicklung neuartiger hochempfindlicher Magnetsensoren, basierend auf Atomdämpfen sowie auf Diamant-Farbzentren, und wendet sie unter anderem für biophysikalische Experimente an. Außerdem befasst sich die Sektion mit NMR-Verfahren, die bei extrem schwachen oder sogar gar keinen Magnetfeldern funktionieren, arbeitet an Methoden zur Fernvermessung von Magnetfeldern in der Mesosphäre, widmet sich der Analyse chiraler Moleküle und verfügt über eine schlagkräftige Theoriegruppe.

Prof. Dr. Dmitry Budker

Helmholtz Institut Mainz
Staudingerweg 18
D-55128 Mainz
Raum 01-161

Telefon: +49 6131 39-29630
E-Mail: budker(at)uni-mainz.de