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Inbetriebnahme des ersten Kryomoduls des HElmholtz LInear ACcelerators (HELIAC) mit Schwerionenstrahl

Das erste supraleitende Modul des HELIAC-Teilchenbeschleunigers, bestehend aus mehrzelligen Crossbar H-Mode-Kavitäten, konnte kürzlich erfolgreich in Betrieb genommen werden. Dieses wurde in den vergangenen etwa fünf Jahren am Helmholtz-Institut Mainz (HIM) entwickelt, zusammengebaut und getestet.

Messung der Energie des Ionenstrahls bei Variation der Beschleunigungsspannung (Pt) der verwendeten supraleitenden Crossbar H-Mode-Kavitäten

 

 

Der hochreine ISO-Klasse 6 Reinraum des HIM (ähnlich der Räume, die zur Chipherstellung verwendet werden) wird dabei genutzt, um hocheffiziente supraleitende, d.h. bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt arbeitende, Beschleunigerkavitäten bei fast vollständiger Abwesenheit von störenden Partikeln zu einem kompletten sogenannte „Beschleuniger-String“ zusammen zu führen. Auf der ebenfalls am HIM zur Verfügung stehenden Fertigungsstraße wurde dieser String bestehend aus insgesamt vier supraleitenden Hochfrequenzkavitäten und zwei ebenfalls supraleitenden Hochfeld-Solenoid-Linsen aus der Reinraumumgebung ausgeschleust und anschließend zu einem kompletten Kryomodul zusammengesetzt.

Im Sommer 2023 wurde das knapp 8 Tonnen schwere voll bestückte Modul mit einem Spezialtransporter von Mainz nach Darmstadt an das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung gebracht. Es folgten der Aufbau und die Integration des Kryomoduls bei GSI und die Anbindung an die lokale Flüssig-Helium-Kryoversorgung. Nach erfolgreicher Kaltfahrprozedur konnten die einzelnen supraleitenden Beschleunigungskavitäten mit der neu errichteten Hochfrequenz-Leistungsversorgung in Betrieb gehen.

Bei der jüngst erfolgten Erstinbetriebnahme wurden die zur Beschleunigung von schweren Ionen erforderlichen elektrischen Feldstärken deutlich übertroffen.

 

Am 14.12.2023 um 19:04 Uhr war es dann soweit: Nach fünfjähriger Entwicklungs-, Bau- und Inbetriebnahmezeit wurde im HELIAC-Kryomodul 1 erstmals Heliumstrahl vom GSI-Hochladungsinjektor auf eine Strahlenergie von ca. 6.2 Millionen Elektronvolt stabil und mit guter Transmission beschleunigt. Die zur Beschleunigung schwerer Ionen benötigten (bis zu dreifach höheren) Beschleunigungsgradienten stehen ebenfalls zur Verfügung. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, mit diesem Kryomodul die Strahlenergie über einen weiteren Bereich zu variieren, ohne dabei Teilchen zu verlieren. Dies ist ein erheblicher Vorteil des an der Universität Frankfurt entwickelten teilchendynamischen Konzepts, welches hier erstmals zur praktischen Anwendung kommt. Das erste HELIAC-Kryomodul, das bei GSI zum Einsatz kommt, ist nun erfolgreich in Betrieb gegangen. Zu dem Erfolg haben sehr viele Personen beigetragen, insbesondere die Mitarbeiter der GSI-Abteilung Linearbeschleuniger und der Sektion ACID 1 des HIMs, aber auch viele Mitarbeiter der beteiligten GSI-Fachabteilungen.

Der vorgeschlagene HELIAC, bei dem bis zu vier solcher Module Verwendung finden sollen, wird zukünftig Schwerionenstrahlen auf bis zu 10% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Die zur Teilchenbeschleunigung benötigte Energie wird durch den Einsatz der Supraleitung gegenüber konventionellen Beschleunigern um bis zu 90% reduziert. Die neuentwickelten Kryomodule tragen somit in erheblichem Umfang zur Energieeinsparung und damit zur CO2-Reduktion bei. Nach Genehmigung, Finanzierungszusage und Implementierung des HELIAC-Projektes stehen die vollständig montierten und getesteten Module dann zukünftig den Wissenschaftlern zur Verfügung, um mit Dauerstrich-Schwerionenteilchenstrahl höchster Intensität u.a. kernphysikalische, kernchemische und materialwissenschaftliche Experimente durchzuführen. Die hier beschriebene HELIAC-Prototypphase wird durch die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Europäische Union (Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) finanziell unterstützt und gefördert.

 

Maksym Miski-Oglu und Winfried Barth (GSI, HIM, Johannes Gutenberg Universität Mainz)